Klappentext und Leseprobe von "Wolfsliebe"

„Reiki, Selbstliebe und eine komplizierte Romanze – Jan steht vor neuen Herausforderungen, die sein Leben und das seines Wolfsrudels für immer verändern werden.“

Klappentext

Im Einklang von Körper, Geist und Seele finde ich zu meiner eigenen Kraft.
Doch in der Gemeinschaft mit wunderbaren Menschen und Tieren finde ich Erfüllung.

Jans aufkeimende Liebe zu seiner Lebensretterin Gabriela wächst stetig. Allerdings bringt Silvias Erwachen aus dem Koma Zündstoff in die Romanze. Die Ex-Freundin setzt all ihre Reize und die spirituelle Reiki-Energie ein, um Jan zurückzuerobern.
Während der ehemalige Wolfspfleger Günni auf den Hund kommt, bleibt Jochen seiner egozentrischen Lebensphilosophie treu. Durch die gemeinsame Vergangenheit kreuzen sich die Wege der drei ungleichen Männer. Als die jüngste Wölfin des Rudels plötzlich spurlos verschwindet, muss Jan sie mithilfe seiner Freunde und eines ausgebildeten Mantrailers in der Wildnis suchen.

Leseprobe

Das zweite Date

 

»D’Artagnan! Steh! Herr Schröder, warte!« Mit hochrotem Kopf wand sich Jan aus dem Leinenchaos, in das ihn die beiden großen Hunde, die eher wie kleine Ponys aussahen, verwickelt hatten. Wie kam er nur auf die aberwitzige Idee, einen Bernhardiner und einen Neufundländer gleichzeitig auszuführen? Bei der Annahme der Gassi-Aufträge wusste Jan zwar um die Herausforderung, aber als ehemaliger Mitarbeiter eines Wolfcenters, der schon bei einem Rudel Wölfe schlafen durfte, meinte er, der Aufgabe gewachsen zu sein. Da kannte er jedoch die außergewöhnlichen Rufnamen der beiden Kolosse noch nicht. Er erntete reichlich belustigte Blicke von Passanten, als er vom Bernhardiner mit dem starken Namen D’Artagnan nach links gezogen wurde, während der braune Neufundländer Herr Schröder unbedingt rechts schnuppern wollte. Mehrmals musste Jan die beiden Hunde lautstark zur Raison rufen. Dabei stand ausgerechnet heute die Verabredung mit Gabriela an. Der Vorteil des anstrengenden Spaziergangs mit den Hunden war jedoch, dass keine Zeit für flatternde Nerven blieb. Jans Konzentration lag allein darauf, unbeschadet das ein paar hundert Meter entfernte Feld zu erreichen, wo der Treffpunkt lag.

Das zweite Date! Eine ganze Ameisenarmee tanzte Samba in Jans Bauch, als die Hundesitterin Gabriela einer weiteren Verabredung zustimmte. Da sie beide ihren Lebensunterhalt mit der Betreuung von Hunden verdienten, wollten sie einen gemeinsamen Spaziergang unternehmen. Zum Glück hatte sich der trockenheiße Sommer verabschiedet, sonst wäre Jans Kleidung mittlerweile schweißgetränkt. Er begrüßte stattdessen den herbstlichen Wind, der ihm die braunen Haare durcheinanderwirbelte. Nachdem Herr Schröder aus einem Brunnen gesoffen und sich danach kräftig geschüttelt hatte, wies Jans hellbraune Jeans dunkelbraune Spritzer auf. Wie konnte er nur so zur Verabredung mit einer Frau erscheinen? Kurz überlegte Jan, die beiden aufgedrehten Hunde wieder in ihr jeweiliges Zuhause zurückzubringen und etwas Sauberes anzuziehen. Doch dann würde er zu spät kommen, was sicherlich der größere Fehler wäre. Außerdem sah er seine Bekannte bereits am Ende der Straße warten.

Gabriela band gerade die schulterlangen Haare zu einem Zopf zusammen, weil ihr der Wind die braunen Strähnen ins Gesicht wehte. Drei Hunde mittlerer Größe saßen währenddessen brav wartend neben ihr, die drei Leinen lagen auf dem Boden. Als Gabriela Jan erblickte, winkte sie ihm zu.

Das sahen Herr Schröder und D’Artagnan als Einladung an und sprinteten gemeinsam nach vorn. Nun konnte Jan die geballten 130 Kilos nicht mehr halten. Die Leinen scheuerten schmerzhaft an seinen Handinnenflächen vorbei. »Oh nein! Halt sie auf!«, rief Jan seiner Verabredung entgegen.

Blitzschnell leinte Gabriela ihre drei Hunde ab, die auseinanderstoben, als die Großen auf sie zu galoppierten. Damit hatten die beiden Kolosse nicht gerechnet und verlangsamten ihr Tempo. Man sah ihnen die Verunsicherung förmlich an, wen sie nun zuerst begrüßen sollten. »Hier!«, schallte Gabrielas Stimme übers Feld. Dabei hielt sie ein Tütchen in der Hand, welches verheißungsvoll knisterte. Das nahm den beiden großen Hunden die Entscheidung ab und einträchtig trabten sie zu Gabriela, die ihnen jeweils ein Stück Käse hinhielt und danach mit zwei kurzen Klicks die Leinen löste. Ihre drei Gasthunde kamen in der Hoffnung näher, auch etwas duftenden Käse abzustauben. Die Größe der beiden Neuankömmlinge beeindruckte sie. Nachdem das vorsichtige Beschnuppern beendet war, entspannte sich die nervöse Anfangshaltung und die fünf jagten einander über die Felder. Gabrielas Hunde waren dabei klar im Vorteil, weil sie sich deutlich wendiger als ihre massigen Artgenossen bewegten.

Etwas außer Atem kam Jan bei Gabi an und umarmte sie kurz zur Begrüßung. Dabei nahm er den leichten Geruch von Orangenblüten wahr. »Oh Mann! Du denkst wahrscheinlich, ich bin der schlechteste Hunde-Gassi-Gänger auf dem ganzen Planeten. Ich kann dir nicht erklären, was in mich gefahren ist, die beiden Kolosse mit zu unserer Verabredung zu nehmen. Es tut mir echt leid.« Erschrocken deutete er auf ihre schwarze Soft-Shell-Hose, die an mehreren Stellen feuchte Sabberstreifen aufwies. »Waren das meine? Dann tut mir auch das leid. Ich übernehme gern die Reinigung.«

Doch Gabriela winkte schmunzelnd ab. »Quatsch! Mach dir darüber keine Gedanken! Das ist meine Gassi-Hose. Wenn ich bei dem Wetter mit mehreren Hunden draußen bin, seh ich danach nie sauber aus. Und die Felltorpedos auch nicht. Wobei du dir mit dieser Kombination tatsächlich eine heftige Aufgabe zugemutet hast.«

Gemeinsam bestaunten sie die Schönheit der beiden Riesen, als der Wind ihr langes Fell schneidig zur Seite wehte. Mit viel Gutmütigkeit trabten sie den Schnelleren hinterher.

Dankbar nahm Jan zur Kenntnis, dass sie ihm seinen unrühmlichen Auftritt verzieh, machte jedoch in Gedanken eine Notiz, solchen Fauxpas zukünftig zu vermeiden. Stattdessen wandte er seinen Blick den fünf tobenden Hunden zu, die immer noch Kreise und Achten über das abgeerntete Feld zogen. So viel Lebensfreude hatte Jan lange nicht beobachtet. Ausgelassen wechselte das wilde Spiel. Jeder Vierbeiner durfte jagen oder auch mal der Gejagte sein. Beim Rennen verzogen sich die Lefzen seiner beiden Schützlinge zu einem irrsinnigen Grinsen, mit dem sie jeden Joker-Darsteller in die Flucht geschlagen hätten. Plötzlich fiel Jan etwas ein: »Oh nein!«

»Was ist?«, fragte Gabriela direkt nach.

»Ich Trottel habe die Schokolade vergessen, die ich extra für dich gekauft habe.«

Über seine Selbstkritik musste Gabriela laut lachen. »Das mit der vergessenen Schokolade nehme ich dir tatsächlich übel, aber das Hundechaos nicht. Schau nur, wie schön sie miteinander toben. Auf jeden Fall kannst du sicher sein, dass deine beiden Riesen nach unserem Treffen himmlisch schlafen werden. Komm, lass uns ein Stück gehen! Weiter vorn kommt eine kleine Anhöhe, von dort aus haben wir einen wundervollen Fernblick über die Felder.«

Mit einem federleichten Gefühl ging Jan neben Gabriela her. Nichts schien sie aus der Ruhe zu bringen. Sie strahlte eine beneidenswerte Zufriedenheit aus. Als die beiden nach einer halben Stunde ihr Ziel erreichten, zuckte Jan zusammen. Überall auf der Welt hätte er diesen Platz wiedererkannt: die Anhöhe mit dem wunderschönen Kastanienbaum in der Mitte. Genau an diesem Ort hatte er Gabriela in einem Traum schon einmal getroffen, auch umgeben von vielen Hunden. Wie kann ich von dieser Stelle träumen, obwohl ich nie zuvor dagewesen bin? Warum diese Phänomene geschahen, blieb Jan ein Rätsel, aber er erinnerte sich genau an das vertraute Gefühl, neben ihr zu sitzen, das braune Haar zu berühren und in ihrem charmanten Lächeln zu versinken. Voller Dankbarkeit darüber, jetzt tatsächlich mit ihr hier zu sein, atmete Jan tief durch, bemüht, diesen Moment so lange wie möglich auszukosten.

»Woran denkst du gerade?«, fragte Gabriela mit leiser Stimme. Ihr war sein melancholischer Gesichtsausdruck nicht entgangen.

Verlegen lächelnd antwortete Jan: »Das ist mal wieder ziemlich schwer zu erklären und noch viel schwieriger zu begreifen. Ich habe einmal davon geträumt, mit dir genau an dieser Stelle zu sitzen. Deshalb ist es für mich wie ein Déjà-vu. Damals hast du mich über Herdenschutzhunde aufgeklärt.«

Verwundert runzelte Gabriela die Stirn. Als bodenständige Frau befremdete sie der Gedanke, in Jans Träumen genau diesen Ort mit ihm aufgesucht zu haben. Allerdings wurde auch ihre Neugierde geweckt. »Und? Was haben wir in deinem Traum sonst so gemacht?«

Eine leichte Röte überzog Jans Wangen, als er daran dachte, dass er Gabriela damals am liebsten festgehalten und für immer im Arm gehalten hätte. Doch dieses Wunschdenken gab er nicht preis. An der großen Kastanie angekommen, strich Jan zunächst über die glatte Rinde des Stammes. Bäume übten seit jeher eine große Faszination auf ihn aus. Dieser musste schon einige Jahrzehnte alt sein und wies einen perfekten Wuchs auf. Dicke Äste strebten in alle Himmelsrichtungen, sodass die Krone die Form eines riesigen Schirmes bildete. Welchen Stürmen mochte die Kastanie bereits getrotzt haben? Wie viele Liebespärchen küssten sich an diesem Ort zum ersten Mal? Jan schmunzelte über die Richtung, in welche seine Gedanken drifteten, und suchte am Fuße des Baumstamms eine bemooste Stelle, auf der sie beide Platz fanden und der Wind weniger rau an ihnen zerrte. Etwas verspätet antwortete Jan auf ihre Frage: »Du hast mir etwas über Energie sowie Aura erzählt und gezeigt, wie ich meine Kraft fühlbar mache.« Jan ließ mit gekrümmten Fingern seine Hände übereinander schweben, indem die Handinnenflächen einander zugewandt waren. Es sah aus, als hielte er einen unsichtbaren Ball zwischen den Händen.

»Du hast mich bestimmt mit Miriam verwechselt!«

Die beiden Hundesitter verband die Freundschaft zu einer außergewöhnlichen Frau: Miriam, die als Tierkommunikatorin arbeitete.

Mit einem Grinsen auf dem Gesicht beteuerte Jan: »Nein. Du warst absolut überzeugt von dem, was du mir gezeigt hast. Vielleicht hast du eine tiefe spirituelle Ader in dir?«

Gabrielas Körper bebte kurz, als hätte eine starke Bö sie durchgerüttelt. Gedankenverloren strich sie über die Gänsehaut auf den Unterarmen.

»Ich kann mir denken, dass vieles, was Miriam und ich von uns geben, nach Fantasy klingt, aber probier das mit der Energie einfach aus! Leg mal deine Hände so übereinander, wie ich es mache!« Aufmunternd schaute Jan seine Bekannte an.

Seine blauen Augen strahlten dabei dermaßen begeistert, dass sie seine Bitte nicht abschlagen konnte. »Na gut, dann lass ich mich mal auf dein Experiment ein.«

Während Gabriela langsam ihre Hände bewegte, schaute Jan in ihr konzentriertes Gesicht. Die glatten braunen Haare hatte sie wieder aus dem Gummiband befreit, sodass sie weich das schmale Gesicht einrahmten. Neugierige braune Augen wurden von einer Brille halb verdeckt. »Schließ deine Augen! Dann fällt es dir leichter, dich auf das Fühlen zu konzentrieren.«

Bald spürte Gabriela trotz des kühlen Windes eine Wärme, die zwischen ihren Handflächen entstand. »Ist das nicht die Wärme, welche mein Körper ausstrahlt?«, wollte sie wissen.

»Dann müsste es kühler werden, wenn du die Hände weiter auseinanderhältst«, gab Jan zu bedenken und lächelte innerlich über ihre hartnäckigen Zweifel. »Das, was du da spürst, ist deine eigene Energie. Alles um uns herum und in uns drin, besteht aus dieser Kraft. So hast du es mir damals im Traum erklärt. Auf diese Weise können wir die positive Energie fühlbar machen.« Jan hätte stundenlang neben ihr sitzen und das Minenspiel betrachten können. Als Pokerspielerin wäre Gabriela nicht zu gebrauchen. Alle Emotionen waren wie in einem offenen Buch zu lesen. Diese Unverfälschtheit rührte Jan zutiefst.

»Woher weißt du, dass die Energie positiv ist?«

»Das verrät mir dein Gesicht. Es hat einen weichen, friedlichen Ausdruck. Da liegt nichts Negatives drin.«

Ertappt öffnete Gabriela ihre Augen. Das war das Netteste, was seit Langem ein Mann zu ihr gesagt hatte. Nun versuchte sie ihrerseits, in Jans Gesicht zu lesen. »Du dagegen wirkst melancholisch. Bist du traurig?«

»Damals im Traum warst du plötzlich verschwunden und es blieb nur eine schmerzhafte Leere zurück, als hätte mir jemand einen Arm amputiert.« Ein Schleier überdeckte das Strahlen seiner blauen Augen. Sein Blick schweifte in die Ferne und verriet eine Andeutung der Qualen, die Jan bis zum Versuch der Selbsttötung getrieben hatten.

»Tut mir leid. Ich wollte dich nicht auf trübe Gedanken bringen. Gehört deine Einsamkeit mit zu dem Teil, der dich verzweifeln ließ?«, fragte Gabriela einfühlsam nach.

»Ja, da kam einiges zusammen.« Jans Stimme klang kratzig, als bohrten die Worte, welche ihm ungern über die Lippen kamen, kleine Widerhaken in den Hals. »Ich möchte unsere Verabredung aber nicht mit meinen Problemen belasten.«

»Wozu sind Verabredungen sonst da?«, konterte Gabi.

»Um sich besser kennenzulernen, nehme ich mal an.«

»Das sehe ich genauso. Ich habe dich getroffen, als du dein Leben beenden wolltest. Ein ziemlich schlechter Anfang. Aber wenn du mir erklärst, wie es dazu kam, fällt es mir wahrscheinlich leichter, deine Entscheidung zu verstehen. Vielleicht kann ich dir auch dabei helfen, dass es nie wieder so weit kommen muss.«

Über dieses Angebot machte sein Herz einen freudigen Hüpfer. Ihr liegt etwas an mir, sie möchte mir helfen. Es fiel Jan jedoch schwer, anderen seine Gefühlswelt zu offenbaren. An die Gespräche mit seinem Therapeuten hatte er sich mittlerweile gewöhnt. Doch Gabriela stand für Jan in einer völlig anderen Beziehung. Er fand sie sympathisch, charmant, einfühlsam und genoss ihre Gesellschaft.

Gabriela spürte seinen Zwiespalt. Eine kurze Zeit verstrich, bevor sie seine Hand ergriff. »Vielleicht fällt es dir dann leichter«, schlug sie vor und spendete ihm durch leichten Druck Zuspruch.

Stockend begann Jan, seine belastenden Erlebnisse vor ihr auszubreiten. »Du weißt, dass ich ein Seminar bei Miriam besucht habe und seitdem mit Tieren reden kann. Aus diesem Grund bekam ich den Job im Wolfcenter, um als Dolmetscher zwischen ihnen und den Menschen zu vermitteln. Mit der Aufgabe und der Art zu Leben war ich wunschlos glücklich. Doch ein Kollege betrog mich. Jochen«, Jan sprach den Namen mit einer gehörigen Portion Abscheu in der Stimme aus, »missbrauchte mein Vertrauen, saugte mein Wissen auf und spielte es gegen mich aus. Der Leiter des Centers wiederum stand nicht zu seinem Wort und benutzte mich als Sprachrohr, um den Wölfen seine falsche Entscheidung darzulegen. Als dann schließlich das Center vom Feuer verschlungen wurde, kam ich damit nicht klar. Es riss meine Seele einfach entzwei. Ich trudelte heimatlos, ohne Job und ohne das Wolfsrudel ins Leere. Auch meine Freunde drangen zu dem Zeitpunkt nicht mehr zu mir durch. Mehrere Panikattacken führten zu einer schweren Depression, aus der ich keinen anderen Ausweg sah, außer das trostlose Leben zu beenden. Mittlerweile weiß ich, dass die Entscheidung falsch war und versuche, die glücklichen Momente im Leben zu vermehren.«

Dieser kurzen Zusammenfassung lauschte Gabriela gebannt. Ihr Gesichtsausdruck wechselte von leichtem Unglauben zum Mitgefühl. »Was macht dich wirklich glücklich?«

»Das ist ja das Schlimme. Ich weiß es nicht mehr. Augenblicklich lebe ich von Tag zu Tag, arbeite daran, meine innere Unruhe in Schach zu halten und hoffe auf Besserung. Es ist nicht mehr so erdrückend, aber leider noch nicht verschwunden.« Bereits in dem Moment, in dem Jan seine Gefühle Gabriela anvertraute, nahm die innere Beklemmung ab. Das war ein wichtiger Teil seiner Therapie: einsehen, dass man ein Problem hat und dann an einer Lösung arbeiten.

Gabrielas schöne Augen blickten ihn verständnisvoll an. »Fang mit den kleinen Dingen an! Du scheinst Hunde zu mögen.« Sie wies auf die fünf Felltorpedos, die mittlerweile ihr Spielen beendet hatten und neben ihnen ruhten. Während der Neufundländer leise schmatzte, schnarchte der Bernhardiner in beachtlicher Lautstärke.

»Ja, das stimmt. Ich habe nicht nur für Wölfe, sondern auch für Hunde ein gutes Händchen. Außer heute.« Schalk ließ seine strahlend blauen Augen aufblitzen. Als Gabriela in sein Lachen einstimmte, schloss Jan daraus, dass sie seinen Humor teilte und ebenfalls über eigene Fehler lachen konnte. »Ich finde es schön, dass wir diese Gemeinsamkeit teilen. Meine Ex-Freundin wäre wahrscheinlich schreiend davongelaufen, wenn ich so verdreckt mit zwei aufgedrehten Kolossen zu einer Verabredung erschienen wäre.«

»Mag sie keine Hunde?«

»Das weiß ich gar nicht. Aber sie ist Inhaberin einer Modeboutique. In Düsseldorf. Sie verließ niemals die Wohnung, ohne perfekt gekleidet und geschminkt zu sein. Von daher schätze ich, dass haarende und sabbernde Hunde nicht gerade gut bei ihr ankommen würden.«

»Warum habt ihr euch getrennt?«

Kurz wanderten Jans Gedanken zu seiner vergangenen Beziehung. »Wir haben uns einfach unterschiedlich entwickelt. Wobei – das stimmt nicht. Sie blieb, wie sie war. Ich habe mich verändert. Die erste Wolfsbegegnung hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Ich fing an, meine damaligen Werte infrage zu stellen und wollte die Kommunikation mit Tieren erlernen. Silvia blockte und wollte mir diesen Humbug unbedingt ausreden. Aber eine innere Stimme versicherte mir, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand. Also hörte ich auf mein Gefühl und beendete unsere Beziehung.«

Gabriela nickte leicht zu seinen Worten. »Das kling für mich absolut richtig. Was sagt dir deine innere Stimme genau jetzt?«

»Jetzt? Wenn du meine Freundin gewesen wärst, wäre das nicht passiert.« Erschrocken verschloss Jan die Lippen. Ging er mit den Worten zu weit?

Tatsächlich errötete Gabriela leicht und wandte den Kopf ab. »Wieso bist du dir so sicher? Wir kennen uns noch nicht so lange. Wie du merkst, zweifle ich ebenfalls bei dem Thema mit der Tierkommunikation und hätte möglicherweise alles für Humbug gehalten.«

»Selbst wenn, hättest du mich meinen Weg selbst wählen lassen. Du hättest mich nicht dazu gedrängt, weiter ein Leben zu leben, in dem ich mich nicht wohlfühle.« Er strich ihr eine braune Haarsträhne, die sich im Brillenbügel verfangen hatte, aus dem Gesicht. Der Wind nahm zu, langsam wurde es kühl. Um nichts in der Welt wollte Jan das Gespräch beenden, jedoch lieber in eine andere Richtung lenken. »Wir haben die ganze Zeit nur über mich gesprochen. Was ist mit dir? Hast du einen festen Freund?«

Erneut schaute Gabriela verlegen zur Seite. »Ach, irgendwie ist mir Mr. Right noch nicht vor die Füße gefallen. Woran das liegt, kann ich mir auch nicht erklären.«

»Wie sähe dein Wunschprinz aus?«

»Beim Äußeren habe ich keine konkreten Vorstellungen. Ein Raucher wäre schlecht, weil ich das beim Küssen ekelig finde. Er müsste vor allen Dingen Hunde lieben. Außerdem muss er gern und bei jedem Wetter mit mir draußen unterwegs sein. Ich liebe Humor«, an der Stelle zwinkerte sie ihm zu und fuhr dann fort, »Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Mister Right sollte es egal sein, dass man von meinem Fußboden nicht essen kann und in meiner Wohnung mehr lebendiges Chaos herrscht als Ordnung. Außerdem bin ich ein recht häuslicher Mensch, möchte also nicht jedes Wochenende auf eine Party gehen. Obwohl ich Musik und Tanzen sehr mag – Essen übrigens auch.« Bei den Gedanken zog ein Strahlen über ihr Gesicht, aus dem die pure Lebensfreude sprach.

Überrascht zog Jan die Augenbrauen hoch. »Das sieht man dir nicht an, so schlank, wie du bist.«

»Das kommt wahrscheinlich daher, dass ich so viel mit den Hunden gehe.«

Für eine kurze Zeit hing jeder seinen Gedanken nach. Gabriela beobachtete Jans Körperhaltung aus den Augenwinkeln. Er lehnte gegen den Stamm der großen Kastanie, die Hände locker auf den angewinkelten Knien abgelegt. Seine Gesichtszüge wirkten jetzt viel weicher, insgesamt sah er zufrieden aus.

»Das sind sehr schöne Wünsche«, riss seine Stimme Gabriela aus ihren Gedanken.

»Was meinst du?«

»Deine Wünsche an Mister Right.« Jans spontanes Lächeln ließ sein gesamtes Gesicht erstrahlen und Grübchen zum Vorschein kommen. »So ähnlich sähe auch eine Stellenausschreibung für den freien Platz an meiner Seite aus. Mit einem kleinen Zusatz: Interesse an Wölfen gehört für mich unbedingt dazu. Wenn man sie einmal so nah erlebt hat wie ich, ist es schwierig, nicht von ihnen fasziniert zu sein. Ihre Lebenseinstellung ist umso vieles gradliniger als unsere. Wir sollten uns viel mehr von diesen wundervollen Tieren abschauen.«

»Was genau begeistert dich?«, hakte Gabriela nach, weil seine Euphorie zu ihr überschwappte.

»Ihr Zusammenhalt ist bewundernswert. Sie geben alles für die Familie. Jeder übernimmt eine Rolle und kann sich blind auf den anderen verlassen. Außerdem sind die meisten ehrlich – Ausnahmen bestätigen leider wie immer die Regel. Aber so abgrundtiefe Falschheit, wie der Mensch sie an den Tag legen kann, ist bei den Wölfen nicht vorgekommen. Hättest du Lust, mein Rudel zu treffen?«

Erstaunt riss Gabriela die Augen auf. »Dein Rudel?«

»Nach dem Brand des Wolfcenters floh das Rudel, mit dem ich am engsten zusammengearbeitet habe und deshalb mein Rudel nenne, unter Führung eines wilden Wolfes in die Wildnis. Aber ich konnte sie mithilfe der Gedankensprache wiederfinden und dort besuchen. Wenn du möchtest, frage ich nach, ob du beim nächsten Treffen mitkommen darfst. Rob und Susa, das ehemalige Leitpärchen, haben vor kurzem Nachwuchs bekommen. Drei kleine Wolfsbabys. Wer kann dazu schon nein sagen?« Dieser Gedanke war Jan spontan gekommen und er hoffte, ihn in die Tat umsetzen zu können. Sein Rudel wäre wahrscheinlich einverstanden. Der neue Rudelführer Crow würde es mit Sicherheit als Vertrauensbruch ansehen, wenn Jan eine weitere Person zum Bau der Wölfe mitbrachte. Deshalb musste Jan behutsam an die Sache herangehen. Gabriela wirkte im Umgang mit den Hunden absolut souverän. Jan stellte sich vor, wie die goldenen Sprenkel in ihren Augen vor Begeisterung aufleuchteten, wenn sie das Wolfsrudel träfe.

Gabrielas Gedanken wanderten in eine ähnliche Richtung. Der Wolf war der Urahn des Hundes. Einem ganzen Rudel in freier Wildbahn zu begegnen, ohne einen Zaun dazwischen, wäre fantastisch. Gabriela staunte, wie gelassen Jan über sein Leben mit den Wölfen sprach – als wäre es das Natürlichste auf der Welt. »Ich kann dir nicht versprechen, dass ich jemals den Mut dazu aufbringen würde, aber reizvoll wäre es schon«, schwärmte Gabriela nach einer Zeit der Stille. Fröstelnd zog sie ihren Mantel enger.

Wie von einer inneren Uhr angetrieben sprangen ihre drei Gasthunde auf und schauten ihr Ersatz-Frauchen erwartungsvoll an.

Gabriela kannte diese Blicke. »Jan, es ist Zeit für den Rückweg. Eigentlich bekommt meine Meute um vier Uhr ihr Futter. Das scheint bei ihnen irgendwo einprogrammiert zu sein. Außerdem wird es mir langsam zu frisch.«

»Es war sehr schön, mit dir hier zu sein. Ich habe den Nachmittag sehr genossen. Können wir das nächste Woche wiederholen?«

»Ja, gern. Ihr seid eine sehr unterhaltsame Gesellschaft.«

»Wer bot denn den größten Unterhaltungsfaktor? Die Hunde oder ich?«, fragte Jan zweifelnd.

Lachend knuffte ihn Gabriela gegen den Arm. »Es hielt sich ziemlich die Waage«, kam als diplomatische Antwort.