Klappentext und Leseprobe "Wolfsbruder"

„Eine Reise der Selbstfindung und Tierkommunikation, die das Leben eines jungen Bankers grundlegend verändert. Entdecke den einzig wahren Weg – den Weg zu dir selbst.“

 

Klappentext

›Jan, wach endlich auf! Komm zu uns!‹ Fasziniert lauschte er dem fremdartigen Klang, als alles gleichzeitig geschah: Ein Schuss fiel …

Diese kurze Begegnung bringt das geregelte Leben des jungen Bankers aus den Fugen und stellt alles infrage: Beziehung, Arbeit, Freundschaften. Einmal aufgebrochen, entdeckt er nicht nur die mystische Welt der Tierkommunikation, sondern auch den einzig wahren Weg – den Weg zu sich selbst. Schritt für Schritt legt Jan seine Ängste ab und erlebt das Unglaubliche!

Ein gesellschaftskritischer Roman.

 

Trailer

Hörprobe

Leseprobe

1. Kapitel

 

Aufmerksam durchstreifte Jan zusammen mit vier Jagdfreunden ein weitläufiges Waldgebiet. Sie suchten nach verräterischen Spuren von Hasen, Fasanen oder Füchsen. Seit einem halben Jahr jagten sie gemeinsam und hatten sich zu einem eingespielten Team entwickelt. Jan besaß das Talent, die Zeichen der Natur zu lesen. Umgeknickte Halme, Schleifspuren auf dem Boden, der Kot der Tiere, all das offenbarte ihm, was im Wald umherstreifte. Seine Freunde neckten ihn oft damit, dass er Winnetous Zwillingsbruder sein müsse. Doch er hatte noch nie ein Tier erschossen.

Der junge Mann liebte den herbstlichen Wald, vor allem wegen des unvergleichlichen Dufts, der ihn umgab: modrig feucht, mit dem letzten Hauch des warmen Sommers. Die perfekte Zeit zum Jagen. Während Jan das Lichtspiel der farbenreichen Blätter betrachtete, vernahm er ein trockenes Knacken; zu laut für einen Vogel. Etwas Größeres kam in seine Richtung. Konzentriert richtete der Jäger den Blick auf eine Baumgruppe vor ihm. Breit gefächerte Wedel eines hoch gewachsenen Farns schaukelten im kühlen Herbstwind und versperrten seine Sicht. Ein strenger Geruch wehte zu ihm hinüber: fremdartig, wild. Verunsichert sog Jan die Duftmarke ein. Vielleicht ein Fuchs – oder Wildschweine? Hoffentlich nicht, denn eine Gruppe dieser wuchtigen Tiere könnten den fünf Jägern gefährlich werden. Doch dafür waren die Geräusche zu leise. Eine Wildschweinrotte würde die Farnwedel in Aufruhr versetzen. Die Sekunden vergingen immer langsamer. Das Knacken kam näher, deutlich waren Tritte eines einzelnen Tieres zu vernehmen, die auf dem herabgefallenen Laub knisterten. Der athletische Mann gab seinem Freund Mike ohne Worte ein Zeichen, dass sich in seiner Nähe etwas regte. Wachsam starrte Jan auf die grünen Wedel vor ihm, das Gewehr schussbereit im Anschlag. Jedes weitere Geräusch beschleunigte seinen Blutdruck. Er schnappte nach Luft, als er das heranschleichende Tier erkannte. Es war: ein ausgewachsener Wolf!

Sein eindrucksvoller Kopf tauchte zwischen den Farnwedeln auf. Die witternde pechschwarze Nase stach aus einer weißen Fellpartie deutlich hervor. An der Stirn gingen die hellen Haare in ein Aschgrau über. Schwarze Augen bohrten sich in Jans ungläubigen Blick und schienen ihn förmlich zu bannen.

Regungslos starrte der Mann das Wildtier an. Eine kurze Sekunde lang verwirrte ihn lautes Rauschen, bis er realisierte, dass es das eigene Blut war, das durch seine Adern strömte und sämtliche anderen Geräusche übertönte. Sein Herz hämmerte im heftigen Staccato gegen das Brustbein. Vor lauter Nervosität zitterten die schweißnassen Hände, und das Gewehr drohte, ihm aus den Fingern zu rutschen. Unmöglich! In dieses Gebiet hatte sich seit Jahrzehnten kein Wolf verirrt! Vier Schritte vor Jan blieb das Tier stehen. Deutlich erkannte er jedes Detail am grau-weißen Kopf. Die spitzen Ohren waren aufmerksam nach vorn gerichtet, dunkle Tasthaare vibrierten wachsam. Am meisten faszinierten Jan die schwarzen Wolfsaugen, die ihn intensiv anstarrten. Sekundenlang. Sie schauten tief in seine Seele und öffneten einen Kanal, der bis zu diesem Zeitpunkt im Verborgenen lag.

›Jan, wach endlich auf! Komm zu uns!‹ Beim Klang der rauen Stimme zuckte der Jäger zusammen. Woher kamen die Worte in seinem Kopf? Mit einem Mal geschah alles gleichzeitig: ein Schuss fiel, der Wolf taumelte, Jans Knie sackten weg und es wurde dunkel um ihn.

*

»Jan, wach endlich auf!« Sein bester Freund Mike stand über ihn gebeugt und tätschelte unsanft seine Wangen. »Na, Rotkäppchen! Du hast tierisches Glück gehabt, dass du nicht mit Haut und Haaren verschlungen wurdest.« Laut lachend zog er den zusammengesackten Mann auf die Füße. »Bist ein bisschen blass um die Nase, aber das ist ja verständlich, wenn der große böse Wolf vor einem auftaucht. Hast Glück gehabt, dass ich in deiner Nähe war. Warum hast du nicht geschossen? Er stand doch direkt vor dir?« Neugierig beugte sich Mike zu dem toten Tier hinunter. »Wow, mitten zwischen die Augen. Ein Meisterschuss! Die Runde heute Abend geht auf mich!« Voller Adrenalin rauschten die Worte aus seinem Mund.

Ein wenig benommen schlug Jan dem Freund auf die Schulter. »Danke für die Rettung!« Bei der Betrachtung des Wolfes verkrampfte sein Herz. Eisige Kälte kroch die Beine hoch und flutete den gesamten Körper. Jan schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. Die schwarzen Augen des Wolfes schauten starr geradeaus, seine Zunge hing schlaff aus dem leicht geöffneten Maul. Welch imposantes Tier! Es besaß einen kräftig gebauten Körper und sehnige lange Beine. Aus der Schusswunde sickerte ein wenig Blut. Eine Schande! Wie haben wir getan? Jans Kopf wummerte vor lauter Schuldgefühlen.

»Was sollen wir mit dem Prachtexemplar machen? Mitnehmen?« Fragend schaute Mike in die Runde.

Jörg schüttelte den Kopf. »Nee, das lassen wir lieber! Durftest du den Wolf überhaupt erschießen?«

»Nein! Der Wolf steht unter Naturschutz, weil er zu einer aussterbenden Art gehört. Das Töten ist eine Straftat«, warf David ein.

»Straftat? Du spinnst wohl! Ich habe meinem Freund gerade das Leben gerettet. Das fällt unter Notwehr. Du standst viel zu weit weg. Der Märchenschreck hatte sich direkt vor Jan aufgebaut und war kurz davor, ihn anzuspringen.«

»Du hättest einen Warnschuss abgeben können«, gab Steffen zu bedenken.

Zornesfalten entstanden auf Mikes Stirn, und die Stimme schraubte sich eine Oktave höher. »Natürlich! Ich hätte vorher eine kleine Umfrage starten können. Wer ist dafür zu schießen? Drei dafür, zwei dagegen. Gut, dann schieß ich!« Fassungslos starrte er Steffen an und fuhr mit gepresster Stimme fort: »Unser Spurensucher war zur Salzsäule erstarrt, und ich habe nicht groß nachgedacht, sondern einfach reagiert. Aus meiner Sicht gab es keinen Zweifel: Der Wolf erwischt Jan oder ich erwische den Wolf!« Trotz der Kälte erschienen hektische rote Flecken auf Mikes Wangen.

Steffen nickte zögerlich. »Okay! Keiner von uns ist je einem Wolf begegnet. Du bist der Erfahrenste unter uns. Soll ich euch was gestehen? Ich bin heilfroh, dass der Wolf nicht vor mir aufgetaucht ist. Wahrscheinlich hätte ich mir vor Schiss in die Hose gemacht.«

Er erhielt einen aufmunternden Schlag von Jörg. »Geht uns allen so. Also zurück zur Ursprungsfrage: Was machen wir jetzt?«

»Ich wäre für verbuddeln. Oder sollen wir doch eine Meldung machen?«, fragte David in die Runde.

Mike ging zum Wagen und kehrte mit drei Schaufeln zurück. »Wir verbuddeln ihn! Ich bin zwar sicher, richtig gehandelt zu haben, aber ich habe keine Lust auf ein Verhör. Nachher wird mir doch noch vorgeworfen, ich hätte anders reagieren müssen.« Er verteilte die Schüppen an seine Freunde und wandte sich dann an Jan. »Hey! Was ist los mit dir? Du sagst ja immer noch nichts!«

Jans Mund wirkte trocken wie Löschpapier, das Schlucken fiel ihm schwer. Es war unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, zu tief saß die Trauer über den unnützen Tod des Wildtieres. Widerwillig griff der Jäger zu einer Schaufel und seufzte. »Ich helf dir.« In ihm brannte die Gewissheit, dass der Wolf ihm nichts getan hätte. Er wollte mit mir reden. Nein, das ist lächerlich. Wie komme ich darauf?

»Hey Rotkäppchen! Träum nicht, hilf mir mal!« Mike schubste den in Gedanken versunkenen Freund an und griff unter den Wolfskopf.

 

Während Jan die Hinterläufe packte, schob er die verwirrenden Empfindungen beiseite. Gemeinsam ließen sie den Tierkörper in das ausgehobene Loch gleiten und buddelten es wieder zu. Als die Erde mit dumpfen Geräuschen auf den leblosen Körper prasselte, traten Jan erneut Tränen in die Augen. Das alles fühlte sich falsch an! In seinem Brustkorb entstand eine Kühle, die das eben noch kochende Blut in kleine Eiskristalle verwandelte. Irgendetwas verband ihn mit dem Wolf, als wäre er ein Teil von ihm – ein unbekannter Teil, der nun trauerte. Wessen Stimme habe ich in meinem Kopf gehört?